Mandanteninformation März – April 2011

1. März 2011

Steuerrecht

Unternehmer und Selbständige

Anscheinsbeweis spricht für private Mitbenutzung von Firmenwagen

Hintergrund: In der Praxis kommt es immer wieder zu Streitigkeiten mit dem Finanzamt, ob ein betrieblicher Pkw auch privat genutzt wird. Bei einer privaten Nutzung ist diese einkommensteuerlich als Entnahme und umsatzsteuerlich als sog. Eigenverbrauch zu versteuern. Außerdem war bei Anschaffung eines Pkw zwischen dem 1. 4. 1999 und dem 31. 12. 2003 der Vorsteuerabzug auf 50 % beschränkt, wenn der Pkw auch für den privaten Bedarf des Unternehmers verwendet wurde.

Streitfall: Ein Unternehmer erwarb im August 2000 einen Audi A 8 und machte die Vorsteuer aus der Anschaffung in voller Höhe geltend. Das Finanzamt erkannte die Vorsteuer nur zu 50 % an, weil nach der Gesetzeslage in 2000 der Vorsteuerabzug auf 50 % begrenzt war, wenn der Pkw auch privat genutzt wurde. Der Unternehmer wandte hiergegen ein, dass er den Audi A 8 ausschließlich für sein Unternehmen genutzt hat; für private Fahrten hat er nach seinen Ausführungen einen VW Golf verwendet.

Das Finanzgericht München wies die Klage ab und ließ die Revision nicht zu. Hiergegen erhob der Unternehmer eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH).

Entscheidung: Der BFH ließ die Revision nicht zu. Damit wurde die Abweisung der Klage rechtskräftig. Aus den Gründen des Beschlusses des BFH ergibt sich Folgendes:

  • Grundsätzlich besteht ein Anscheinsbeweis dafür, dass ein Unternehmer seinen betrieblichen Pkw auch privat nutzt.
  • Diesen Anscheinsbeweis kann der Unternehmer dadurch widerlegen, dass er einen anderen Sachverhalt plausibel darlegt, bei dem eine Privatnutzung ausgeschlossen ist.
  • Allein der Vortrag des Unternehmers, er nutze für Privatfahrten den VW Golf und nicht den Audi A 8, lässt aber nicht ernstlich darauf schließen, dass der Audi A 8 ausschließlich unternehmerisch gefahren wurde. Es ist nicht wahrscheinlich, dass für die privaten Fahrten ausnahmslos das billigere Auto genutzt wurde. Zudem fand das Finanzamt im Rahmen der Außenprüfung Tankquittungen für den Audi A 8, die mit der Scheckkarte des Sohnes des Unternehmers bezahlt worden sind. Die Behauptung des Unternehmers, er selbst habe keine EC-Karte gehabt und daher die EC-Karte seines Sohnes verwendet und ihm anschließend das Geld erstattet, hat er nicht glaubhaft gemacht.

Hinweis: Der sicherste Weg, eine ausschließlich betriebliche Nutzung nachzuweisen, ist das Führen eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs.

Arbeitgeber/Arbeitnehmer

Lohnsteuerfreiheit von Tank- und Geschenkgutscheinen des Arbeitgebers

Hintergrund: Zum Arbeitslohn gehören alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus seinem Dienstverhältnis zufließen. Sachbezüge bleiben steuerfrei, wenn sie monatlich einen Betrag von 44 € nicht übersteigen (Freigrenze). Bei Barlohnzuwendungen gibt es eine solche Freigrenze nicht.

Streitfälle: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in drei Fällen zur Abgrenzung von Barlohn zu Sachbezügen entschieden.

  • Im 1. Fall räumte ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern das Recht ein, bei einer Vertragstankstelle gegen Vorlage einer elektronischen Guthabenkarte monatlich einen bestimmten Kraftstoff (Diesel/Normal oder Super) im Wert von bis zu 44 € zu tanken.
  • Im 2. Fall überließ der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern monatlich Benzingutscheine, die sie an einer beliebigen Tankstelle verwenden konnten. Die Gutscheine enthielten den jeweiligen Namen des Arbeitnehmers, die Literangabe sowie den jeweiligen Monat. Die Arbeitnehmer bezahlten an der Tankstelle und erhielten vom Arbeitgeber eine entsprechende Erstattung. Die Erstattung wurde auf dem Gutschein vermerkt.
  • Im 3. Fall erhielten die Arbeitnehmer an ihrem Geburtstag von ihrem Arbeitgeber einen Geschenkgutschein im Wert von 20 €, den sie bei der Fa. H. einlösen konnten.

Die Arbeitgeber behandelten die jeweiligen Gutscheine bzw. Tankkarten als steuerfreien Sachbezug, weil die Freigrenze von 44 € nicht überschritten wurde. Das Finanzamt sah das in allen Fällen anders und erhob wegen des Barlohncharakters gegenüber den Arbeitgebern Lohnsteuer nach.

Entscheidungen: Der BFH bejahte einen steuerfreien Sachbezug und gab den Arbeitgebern mit der folgenden Begründung recht:

  • Ob Barlohn oder ein Sachbezug vorliegt, richtet sich nach dem Arbeitsvertrag. Kann der Arbeitnehmer danach eine Geldzahlung verlangen, handelt es sich um steuerpflichtigen Barlohn, für den es keine Freigrenze gibt. Hat der Arbeitnehmer aber Anspruch auf eine Sache oder Leistung (z. B. Gutschein, Ware, Dienstleistung), erhält er einen Sachbezug.
  • Es kommt nicht darauf an, wie der Arbeitgeber seine arbeitsvertragliche Verpflichtung erfüllt. Das bedeutet:
  1. Barlohn liegt auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer Barlohn verlangen kann, der Arbeitgeber ihm diesen aber nicht auszahlt, sondern stattdessen eine Verbindlichkeit des Arbeitnehmers aus einem Miet- oder Kaufvertrag erfüllt oder dem Arbeitnehmer eine Sache, z. B. einen Warengutschein, zuwendet.
  2. Ein Sachbezug ist hingegen zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer nur eine Sache verlangen kann, der Arbeitnehmer diese aber von einem Dritten erhält (z. B. das Benzin, das von der Tankstelle abgefüllt wird). Es ist dann unbeachtlich, ob der Arbeitgeber dem Dritten das Geld gibt oder aber der Arbeitnehmer zunächst den Dritten bezahlt und dann vom Arbeitgeber eine Erstattung erhält. Für einen Sachbezug ist somit nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber die Sache dem Arbeitnehmer selbst aushändigt.
  • Für den BFH ist unbeachtlich, dass ein Warengutschein (fast) wie Bargeld gehandelt werden kann. Ein Warengutschein ist nun mal kein Geld, unabhängig, ob er einen bestimmten Höchstbetrag (z. B. 44 €) oder aber eine bestimmte Ware (z. B. 30 Liter Normalbenzin) ausweist.

Hinweise: Der BFH ändert seine bisherige Rechtsprechung, die darauf abstellte, ob der Arbeitnehmer Bargeld erhält. Nun kommt es allein auf den arbeitsvertraglichen Anspruch des Arbeitnehmers an. Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist es u. U. ratsam, statt einer Gehaltserhöhung einen Sachbezug (z. B. Warengutschein) bis zur Höhe von 44 € monatlich zu vereinbaren, sofern keine weiteren Sachbezüge gewährt werden. Der Sachbezug ist dann steuerfrei.

Vermieter

Bei Leerstand/Mietausfall in 2010 bis zum 31. 3. 2011 Grundsteuererlass beantragen

Vermieter brauchen bei Leerstand oder ausbleibenden Mietzahlungen nicht immer die volle Grundsteuer zahlen. Sie können unter gewissen Voraussetzungen einen Teil der Grundsteuer sparen. Ist der Rohertrag durch Leerstand oder ausbleibende Mietzahlungen um mehr als die Hälfte in 2010 gemindert worden, haben Vermieter einen Anspruch auf einen Grundsteuererlass in Höhe von 25 %. Sind die Mietzahlungen für das Jahr 2010 komplett ausgebliebenen, beträgt der Grundsteuererlass 50 %. Die Ertragsminderung wird aus dem Unterschiedsbetrag der nach den Verhältnissen zu Beginn des Erlasszeitraums geschätzten üblichen Jahresrohmiete zur tatsächlich im Erlasszeitraum erzielten Jahresrohmiete berechnet.

Der Antrag auf Grundsteuererlass muss bei der Gemeinde, in der sich Mietobjekt befindet, gestellt werden. Für Bremen, Hamburg und Berlin sind die dortigen Finanzämter zuständig. Der Antrag muss für das Jahr 2010 bis spätestens 31. 3. 2011 (gesetzliche Ausschlussfrist) gestellt werden. Begründungen und Nachweise für den Mietausfall können nachgereicht werden.

Der Grundsteuererlass ist nur zulässig, wenn der Eigentümer die Mietausfälle nicht selbst verschuldet hat (z. B. Mietminderung wegen Überschwemmungsschäden). Naturereignisse wie Sturm etc., die Reparaturarbeiten erfordern, berechtigen Mieter zu Minderungsansprüchen und führen auch bei Hotels etc. zu Ausfällen. Zum Totalausfall führt meist auch ein Brand.

Oft kommt es auch zu Mietausfällen, weil der Mieter unberechtigterweise gar nichts zahlt („Mietnomade“). Der Eigentümer muss aber aktiv werden, z. B. mit einer fristlosen Kündigung, und erforderlichenfalls eine Räumungsklage erheben, um den zahlungsunfähigen Mieter loszuwerden; außerdem müssen Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos gewesen sein.

Bei einem Leerstand muss der Eigentümer nachweisen, dass er sich nachhaltig um eine Vermietung bemüht hat (Zeitungsannoncen aufheben, Besichtigungsnachweise von Interessenten unterschreiben lassen, Makleraufträge erteilen).

Laut Bundesfinanzhof (BFH) kommt ein Erlass der Grundsteuer auch bei strukturell und konjunkturell bedingten Ereignissen wie allgemeiner Mietverfall, Überangebot, Bevölkerungsrückgang, Absatzkrise (z. B. Rückgang von Hotelgästen) in Betracht, wenn sie nicht nur vorübergehend sind. Laut Bundesverwaltungsgericht kommt ein Grundsteuererlass auch in Fällen strukturellen Leerstandes in Betracht, in denen die Ertragsminderung des Grundstücks weder atypisch noch vorübergehend ist. Der Steuerpflichtige kann im Falle eines Leerstandes die Vermietung innerhalb einer marktüblichen Preisspanne anbieten. Vermietungsangebote am unteren Rand dieser Preisspanne oder sogar darunter muss er nicht abgeben. Maßnahmen, die die Ertragsminderung reduzieren oder auffangen können, müssen dem Steuerpflichtigen wirtschaftlich zumutbar sein.

Alle Steuerzahler

Höhe des Ausbildungsfreibetrags ist verfassungsgemäß

Hintergrund: Seit 2002 erhalten Eltern für ein volljähriges Kind, das sich in der Ausbildung befindet und auswärtig untergebracht ist, einen steuerlichen Ausbildungsfreibetrag von 924 €. Mit diesem Freibetrag werden die Mehrkosten, die durch eine auswärtige Ausbildung entstehen, typisierend abgegolten, z. B. Unterkunft, Verpflegung und Fahrtkosten. Hat das Kind Einkünfte, Bezüge oder Ausbildungshilfen aus öffentlichen Mitteln von jährlich mehr als 1.848 €, mindert sich der Ausbildungsfreibetrag. Bis 2001 wurde ein Ausbildungsfreibetrag von 4.200 DM gewährt.

Streitfall: Die Eltern einer 1981 geborenen Tochter, die im Streitjahr 2003 auswärtig studierte, erhielten Kindergeld, weil dieses höher als die steuerliche Entlastung durch den Kinderfreibetrag war. Das Finanzamt berücksichtigte neben dem Kindergeld auch noch den Ausbildungsfreibetrag von 924 €.

Die Eltern wandten sich gegen ihren Einkommensteuerbescheid mit der Begründung, die Absenkung des früheren Ausbildungsfreibetrags von 4.200 DM (bis 2001) auf 924 € (ab 2002) werde der Realität nicht gerecht. Immerhin hat sich der monatliche BAföG-Satz bei einer auswärtigen Ausbildung um 133 € erhöht. Ihnen müsse daher der alte Ausbildungsfreibetrag von 4.200 DM gewährt werden.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt die steuerlichen Vergünstigungen für Kinder im Streitjahr 2003 für ausreichend und wies die Klage ab.

  • Verheiratete Eltern erhielten 2003 für ihr in der Ausbildung befindliches, auswärtig untergebrachtes Kind steuerliche Freibeträge von insgesamt 6.732 €, d. h.: zunächst einen Kinderfreibetrag von 3.648 € (seit 2010: 4.368 €), und einen Freibetrag von 2.160 € für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (seit 2010: 2.640 €) sowie den – hier streitigen – Ausbildungsfreibetrag von 924 € (unverändert).
  • Dieser Freibetrag von insgesamt 6.732 € deckte den Bedarf der Tochter einschließlich des Sonderbedarfs für ihre auswärtige Unterbringung in ausreichendem Maße ab. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Eltern - wie im Streitfall - statt des Kinderfreibetrags Kindergeld erhalten haben, weil dieses nach der sog. Günstigerprüfung höher war als der steuerliche Vorteil aus dem Kinderfreibetrag.
  • Es war verfassungsrechtlich nicht geboten, den Ausbildungsfreibetrag von 924 € zu erhöhen. Denn es handelt sich bei den Kosten für eine auswärtige Ausbildung nicht um Aufwendungen für die Sicherung des Existenzminimums. Daher darf der Ausbildungsfreibetrag von 924 € nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss im Zusammenspiel mit den weiteren steuerlichen Freibeträgen (Kinderfreibetrag, Betreuungsfreibetrag) gesehen werden: Danach ergab sich immerhin ein Gesamtfreibetrag von 6.732 €.
  • Der Gesamtfreibetrag von 6.732 € war im Übrigen auch höher als der BAföG-Satz für auswärtig Studierende. Diese erhielten nämlich nur ein BAföG von monatlich 466 € (333 € Regelsatz plus 133 € Zuschlag für die auswärtige Unterbringung), jährlich also 5.592 €.
Regelmäßige Verkäufe bei „eBay“ sind umsatzsteuerpflichtig

Hintergrund: Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig und nachhaltig ausübt. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist hierfür nicht erforderlich.

Streitfall: Ein Ehepaar meldete sich 2001 bei der Internet- Auktion „eBay“ unter einem gemeinsamen Benutzernamen an und verkaufte in den folgenden vier Jahren ca. 1.200 Gebrauchsgegenstände wie z. B. Puppen, Besteck, Briefmarken, Münzen; nach Angaben des Ehepaars handelte es sich dabei um die Auflösung ihrer Privatsammlungen. Die Erlöse beliefen sich jährlich auf 20.000 € bis 35.000 €. Umsatzsteuer führte das Ehepaar nicht ab. Nachdem das Finanzamt aufgrund einer Anzeige von den Verkäufen erfahren hatte, setzte es gegen das Ehepaar Umsatzsteuer auf die Erlöse mit der Begründung fest, sie seien Unternehmer gewesen.

Entscheidung: Das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) wies die Klage ab. Die Eheleute waren unternehmerisch tätig und daher zur Abführung von Umsatzsteuer auf ihre Erlöse verpflichtet. Das FG begründete sein Urteil wie folgt:

  • Die Eheleute haben selbständig Einnahmen erzielt und waren gemeinschaftlich tätig (Verwendung eines gemeinsamen Benutzernamens und Bankkontos).
  • Die Eheleute waren auch nachhaltig tätig, d. h. regelmäßig: Dafür sprechen die Anzahl der Verkäufe (ca. 1.200), die Dauer der Tätigkeit (vier Jahre) und die Höhe der Erlöse (jährlich mehr als 20.000 €).
  • Das Ehepaar musste sich zudem bei jedem Verkauf Gedanken über die Darstellung des Angebots auf der Internetseite machen, insbesondere ein Mindestangebot angeben, ein digitales Foto „hochladen“, den Zahlungseingang überwachen und die - zumeist zerbrechliche - Ware versenden. Dazu war ein nicht unerheblicher Organisationsaufwand erforderlich, zumal die Leistungen eines eBay-Verkäufers auch vom jeweiligen Käufer bewertet werden. Das FG ging von einem zeitlichen Aufwand von mindestens einer Stunde pro Tag aus
  • Zwar hatten die Eheleute die Gegenstände nicht zwecks Handelns erworben. Die Unternehmereigenschaft hängt aber nicht von der Art des Einkaufs ab, sondern nur von der Nachhaltigkeit der Verkäufe.

Hinweise: Laut Rechtsprechung des Bundesfinanzhof (BFH) besteht keine Umsatzsteuerpflicht, wenn eine private Sammlung in einem oder mehreren Verkäufen aufgelöst und verkauft wird. Das FG hat im Streitfall die Revision zugelassen. Sofern die jährlichen Gesamtumsätze nicht höher sind als 17.500 €, braucht ein eBay-Verkäufer als sog. Kleinunternehmer keine Umsatzsteuer abzuführen.

WIRTSCHAFTSRECHT

Benachteiligung wegen Schwangerschaft bei Stellenbesetzung

Hintergrund: Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot aufgrund des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den hierdurch entstandenen Schaden ersetzen, soweit der Arbeitgeber für die Pflichtverletzung verantwortlich ist. Im Fall einer diskriminierenden Nichteinstellung eines Bewerbers besteht dessen Schaden in dem entgangenen Verdienst sowie vergebens aufgewendeter Vorstellungsund Bewerbungskosten. Zusätzlich kann ein abgelehnter Bewerber auch Schmerzensgeld verlangen. Die Grundsätze des AGG muss der Arbeitgeber auch bei einer internen Stellenvergabe oder Beförderung beachten.

Streitfall: Die Arbeitnehmerin war bei der Arbeitgeberin im Bereich „International Marketing“, dem der „Vicepresident“ E. vorstand, als eine von drei Abteilungsleitern beschäftigt. Im September 2005 wurde die Stelle des E. frei. Die Arbeitgeberin besetzte diese mit einem Mann und nicht mit der damals schwangeren Arbeitnehmerin. Diese verlangt die Zahlung einer Entschädigung wegen Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts. Sie trägt vor, dass sie die Stelle wegen ihrer Schwangerschaft nicht erhalten habe. Bei der Bekanntgabe der Stellenvergabe sei sie auf ihre Schwangerschaft angesprochen worden. Die Arbeitgeberin behauptet, dass für die getroffene Auswahl sachliche Gründe sprechen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hatte die Klage abgewiesen und vertritt nach erfolgter Beweisaufnahme die Meinung, dass die von der Arbeitnehmerin vorgetragenen Tatsachen keine Vermutung für eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts bei der Beförderungsentscheidung begründen.

Entscheidung: Auf die Revision der Arbeitnehmerin hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Entscheidung des LAG aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen, weil den Richtern am LAG bei der Tatsachenfeststellung und bei der Verneinung der Vermutung einer Benachteiligung der Arbeitnehmerin Rechtsfehler unterlaufen sind.

Aus den Gründen des Urteils des BAG ergibt sich Folgendes

  • Bewirbt sich eine schwangere Arbeitnehmerin um eine Stelle und besetzt der Arbeitgeber, dem die Schwangerschaft bekannt ist, diese Stelle mit einem Mann, so hat die Arbeitnehmerin eine geschlechtsspezifische Benachteiligung dann glaubhaft gemacht, wenn sie außer der Schwangerschaft weitere Tatsachen vorträgt, welche eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts vermuten lassen.
  • An diesen weiteren Tatsachenvortrag sind keine strengen Anforderungen zu stellen.

Hinweise: Wenn die Arbeitnehmerin Indizien dafür vorträgt, dass ihre Nichtberücksichtigung bei der Beförderung auf der Schwangerschaft und damit auf einer Benachteiligung wegen ihres Geschlechts beruht, muss regelmäßig der Arbeitgeber beweisen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Das BAG hat bereits angekündigt, dass in 2011 weitere Entscheidungen im Zusammenhang mit Verstößen gegen das AGG ergehen werden. Ziel des AGG ist es, Arbeitnehmer und Bewerber auch vor Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der Religion oder des Alters zu schützen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz erlaubt ausnahmsweise eine unterschiedliche Behandlung, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein.