Mandanteninformation September – Oktober 2010

1. September 2010

Steuerrecht

Unternehmer und Selbständige

EuGH: Vorsteuerabzug trotz fehlerhafter Angaben in der Rechnung möglich

Hintergrund: Unternehmer dürfen die ihnen in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer als Vorsteuer nur dann abziehen, wenn ihnen eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt. Diese muss u. a. den Zeitpunkt der Lieferung oder der sonstigen Leistung (Dienstleistung) enthalten. Wird diese Angabe erst in einer berichtigten Rechnung nachgeholt, kann die Vorsteuer nach der Auffassung der Finanzverwaltung erst in dem Jahr geltend gemacht werden, in dem die berichtigte Rechnung erstellt worden ist und dem Unternehmer vorliegt.

Beispiel: U erhält im Jahr 2009 eine Rechnung von A, in der der Zeitpunkt der Leistung fehlt. A berichtigt im Jahr 2010 seine Rechnung, indem er das Datum der Leistungserbringung hinzufügt. U kann somit erst im Jahr 2010 die Vorsteuer geltend machen.

Streitfall: In dem vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) entschiedenen Fall ging es um einen ungarischen Unternehmer, der die Vorsteuer aufgrund einer Rechnung aus dem Jahr 2007 geltend machen wollte. In der Rechnung war der Zeitpunkt der Leistung fehlerhaft angegeben. Im Jahr 2008 erhielt der Unternehmer dann eine ordnungsgemäße Rechnung, in der der Zeitpunkt der Leistung zutreffend angegeben war. Die Rechnungsnummer in der berichtigten Rechnung war allerdings nicht fortlaufend nummeriert. Das ungarische Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug: Die Rechnung aus 2007 enthalte einen fehlerhaften Leistungszeitpunkt, und die Rechnung aus 2008 sei nicht fortlaufend nummeriert gewesen.

Entscheidung: Der EuGH gab dem ungarischen Unternehmer recht. Zwar ist eine Rechnung nach europäischem Recht nur ordnungsgemäß, wenn der Tag, an dem die Dienstleistung abgeschlossen wurde, in der Rechnung angegeben wird. Es genügt aber für den Vorsteuerabzug, dass die fehlerhafte Rechnung berichtigt wird und der zutreffende Leistungszeitpunkt angegeben wird. Es ist nicht erforderlich, dass die berichtigte Rechnung eine fortlaufende Nummer des Berichtigungsjahrs aufweist.

Folge: Der Vorsteuerabzug ist möglich, wenn die berichtigte Rechnung dem Finanzamt vor dessen endgültiger Entscheidung vorgelegt werden kann. Der EuGH äußert sich zwar nicht ausdrücklich zum Jahr, in dem der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden kann; er geht aber wohl von einer Rückwirkung der berichtigten Rechnung aus. Das heißt, die Vorsteuer kann im Streitfall bereits im Jahr 2007 abgezogen werden.

Hinweis: Die Entscheidung des EuGH gilt wohl auch für das deutsche Umsatzsteuerrecht und widerspricht der hiesigen Verwaltungsauffassung, die den Vorsteuerabzug erst im Jahr der berichtigten Rechnung zulässt. Es muss abgewartet werden, ob die deutsche Finanzverwaltung das Urteil des EuGH umsetzt.

Rechnungsabgrenzungsposten für vorausgezahlte Kfz-Steuer

Hintergrund: Ein Kaufmann muss in seiner Bilanz einen sog. aktiven Rechnungsabgrenzungsposten (RAP) bilden, wenn er vor dem Bilanzstichtag Zahlungen leistet, die Aufwand für die Zeit nach dem Bilanzstichtag sind. Der RAP wird im Folgejahr aufgelöst und mindert erst dann den Gewinn. Typisches Beispiel für einen aktiven RAP ist die Zahlung einer Versicherungsprämie in der Mitte des Jahres für Versicherungsschutz bis zur Mitte des nächsten Jahres. Für die auf das Folgejahr entfallende (anteilige) Prämie ist ein RAP zu aktivieren.

Streitfall: Ein Spediteur zahlte in 2002 Kfz-Steuern in Höhe von ca. 97.000 €. Hiervon entfielen rechnerisch ca. 44.000 € auf das Folgejahr 2003. Streitig war, ob er in dieser Höhe einen aktiven RAP bilden musste.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) bejahte die Bildung eines aktiven RAP und wies die Klage des Spediteurs ab. Die im Jahr 2002 gezahlten Kfz-Steuern waren im Umfang von ca. 44.000 € Aufwand des Folgejahres 2003. Insoweit musste ein RAP gebildet werden, der sich erst im Folgejahr aufgrund der Auflösung Gewinn mindernd auswirkte. Für die Bildung eines RAP ist nicht Voraussetzung, dass es sich bei der Zahlung um eine Vorleistung im Rahmen eines Vertragsverhältnisses handelt. Es kommt allein darauf an, dass die Kfz-Steuer mit dem berechtigten Halten von Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang steht. Die Erhebung der Kfz- Steuer erfolgt zeitbezogen auf die Dauer der Zulassung eines Fahrzeugs und jährlich im Voraus.

Hinweise: Es entspricht gängiger Bilanzierungspraxis, für vorausgezahlte Kfz-Steuern einen aktiven RAP zu bilden. Die Sache kam nur deshalb zum BFH, weil das Finanzgericht die – unzutreffende – Ansicht vertreten hatte, dass ein RAP nur bei Vorleistungen im Rahmen eines gegenseitigen Vertrags gebildet werden muss.

Arbeitgeber/Arbeitnehmer

Arbeitszimmer: BMF lässt teilweisen Abzug bis auf Weiteres zu

Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich die seit 2007 geltende Abzugsbeschränkung für Kosten des häuslichen Arbeitszimmers als teilweise verfassungswidrig angesehen und den Gesetzgeber zu einer rückwirkenden Neuregelung zum 1. 1. 2007 aufgefordert. Das Bundesfinanzministerium (BMF) zieht nun vorab verfahrensrechtliche Folgen aus dieser Entscheidung: Es gilt Folgendes:

1. Änderung eines vorläufig ergangenen Steuerbescheids

Der Steuerpflichtige kann die Änderung seiner Steuerbescheide für 2007 bis 2009 beantragen, wenn

  • ihm für seine betriebliche oder berufliche Nutzung kein anderer Arbeitsplatz als sein Arbeitszimmer zur Verfügung stand, und
  • er die betriebliche oder berufliche Nutzung sowie die Höhe seiner Aufwendungen glaubhaft macht und
  • der Bescheid hinsichtlich der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur vorläufig ergangen ist.

Die Finanzämter werden bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung einen Betrag von 1.250 € als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten anerkennen; der geänderte Bescheid ergeht aber weiterhin vorläufig.

2. Steuerbescheid liegt noch nicht vor

Liegt noch kein Steuerbescheid vor, kann der Steuerpflichtige in seiner Steuererklärung unter den Voraussetzungen zu 1. (s. o.) Aufwendungen bis zur Höhe von 1.250 € geltend machen.

3. Ruhende Einspruchsverfahren

Einspruchsverfahren, die in Erwartung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Ruhen gebracht wurden, ruhen auch weiterhin, bis die gesetzliche Neuregelung rückwirkend zum 1. 1. 2007 in Kraft getreten ist. Auch insoweit gewährte Aussetzungen der Vollziehung gelten weiter, ohne dass es eines erneuten Antrags bedarf. Beantragt der Steuerpflichtige nun erstmals die Aussetzung der Vollziehung seines Steuerbescheids, kann das Finanzamt statt einer Aussetzung der Vollziehung einen vorläufigen „Abhilfebescheid“ erlassen, wenn die unter Nr. 1 genannten Voraussetzungen (s. o.) erfüllt sind.

Kein Anscheinsbeweis für Überlassung eines Dienstwagens zu privaten Zwecken

Hintergrund: Ein Arbeitnehmer muss einen geldwerten Vorteil versteuern, wenn er einen vom Arbeitgeber überlassenen Dienstwagen auch privat nutzen darf. Führt der Arbeitnehmer kein Fahrtenbuch, ermittelt der Arbeitgeber die Höhe des geldwerten Vorteils für die Lohnsteuer nach der sog. 1 %-Methode: Der Arbeitnehmer muss also jeden Monat 1 % des Brutto-Listenpreises des Pkw als Arbeitslohn versteuern.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass ein Dienstwagen auch privat vom Arbeitnehmer genutzt wird, wenn

  • der Dienstwagen vom Arbeitgeber auch zur privaten Nutzung überlassen worden ist und
  • kein Fahrtenbuch geführt wird.

Der Anscheinsbeweis kann aber dadurch erschüttert werden, dass der Arbeitnehmer einen plausiblen „Gegensachverhalt“ darlegt, der möglich gewesen sein könnte. Z. B. gibt es Fälle, in denen der Arbeitnehmer die Schlüssel für den Dienstwagen abends und am Wochenende beim Arbeitgeber abgeben muss, und das vom Chef auch regelmäßig kontrolliert wird. Die bloße Behauptung, den Dienstwagen nicht privat genutzt zu haben, genügt nicht.

Streitfall: Ein Apotheker beschäftigte 80 Arbeitnehmer, u. a. auch seinen Sohn. Dieser erhielt das höchste Gehalt von allen Mitarbeitern. Zum Betriebsvermögen des Apothekers gehörten mehrere Fahrzeuge, die allen Arbeitnehmern für betriebliche Fahrten zur Verfügung standen. Fahrtenbücher wurden nicht geführt. Das Finanzamt unterstellte im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung, dass der Sohn des Apothekers den teuersten betrieblichen Pkw, einen Audi S8, auch privat genutzt hatte. Die Finanzbehörde besteuerte dies als geldwerten Vorteil nach der sog. 1 %-Methode. Das Finanzamt verlangte vom Apotheker aufgrund der Lohnsteuerhaftung die insoweit nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab dem Apotheker im Grundsatz recht, verwies die Sache aber an das Finanzgericht zur weiteren Aufklärung zurück. Laut BFH gilt der Anscheinsbeweis für eine private Nutzung nur, wenn der Dienstwagen dem Arbeitnehmer auch tatsächlich zur privaten Nutzung überlassen worden ist. In diesem Fall kann unterstellt werden, dass der Dienstwagen auch privat genutzt wurde.

Das Finanzamt muss in jedem Fall vorab feststellen, dass ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer überhaupt einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat. Ein Anscheinsbeweis, dass der Arbeitgeber diesem die private Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs erlaubt, ist nicht zulässig.

Kein geldwerter Vorteil ist somit zu versteuern, wenn

  • der Dienstwagen nicht zur privaten Nutzung überlassen worden ist oder
  • der Arbeitnehmer den Dienstwagen ohne Erlaubnis des Arbeitgebers privat nutzt. Denn eine unbefugte Privatnutzung führt nicht zu Arbeitslohn.

Das Finanzgericht muss ermitteln, ob der Sohn des Apothekers ein Fahrzeug aus dem Fuhrpark aufgrund seines Arbeitsvertrags mit dem Vater oder aufgrund einer stillschweigenden Vereinbarung privat nutzen durfte. Gibt es eine solche Abrede, spricht grundsätzlich ein Anscheinsbeweis für eine Privatnutzung seitens des Sohnes. Allerdings könnte dieser den Anscheinsbeweis erschüttern, falls er z. B. einen eigenen Audi S8 oder ein gleichwertiges Fahrzeug besitzt und er keine Ehefrau und/oder Kinder hat, die diesen Pkw auch fahren könnten. Wird die private Nutzung eines der betrieblichen Fahrzeuge festgestellt, besteht aber Unsicherheit darüber welches, könnte wohl nur der niedrigste Listenpreis der vorhandenen Fahrzeuge zugrunde gelegt werden.

Hinweis: Das Urteil kann wohl nicht auf Unternehmer übertragen werden, die einen Pkw in ihrem Betriebsvermögen halten und kein Fahrtenbuch führen. Da sie allein verfügungsberechtigt sind, wird man aufgrund eines Anscheinsbeweises weiterhin annehmen dürfen, dass sie diesen Pkw auch privat nutzen.

Vermieter

Hintergrund: Vor der Festsetzung von Grundsteuer muss zunächst ein sog. Einheitswert des Grundstücks festgestellt werden. Dieser bestimmt sich in den alten Bundesländern nach den Wertverhältnissen zum 1. 1. 1964 und in den neuen Bundesländern nach denen zum 1. 1. 1935.

Streitfall: Eine Discounterin errichtete 2004 in den alten Bundesländern einen Lebensmittelmarkt. Das Finanzamt ermittelte auf der Grundlage der Wertverhältnisse zum 1. 1. 1964 einen Einheitswert für Zwecke der Grundsteuer. Diesen Wert empfand die Unternehmerin als zu hoch.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies zwar die Klage ab, weil das Finanzamt den Einheitswert zutreffend ermittelt hatte. Jedoch machte der BFH allgemeine Ausführungen zur Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung, die Folgen für die Zukunft haben dürften. Nach Ansicht der Bundesfinanzrichter ist die Einheitsbewertung auf der Grundlage der Wertverhältnisse zum 1. 1. 1964 nur noch für Bewertungsstichtage bis zum 1. 1. 2007 verfassungsrechtlich akzeptabel. Für spätere Bewertungsstichtage ist aus den folgenden Gründen eine Neubewertung des Grundvermögens auf der Grundlage aktueller Werte geboten:

  • Die Einheitsbewertung des Grundbesitzes ist seit mehr als vierzig Jahren unverändert geblieben. Hierdurch haben sich Wertverzerrungen ergeben.
  • Es gibt immer mehr Gebäude, die sich nach Bauart, Konstruktion und Objektgröße von den damaligen Baupreisverhältnissen so sehr unterscheiden, dass ihre Bewertung nicht mehr ausreichend überprüft werden kann.
  • Es ist nicht mehr hinnehmbar, dass laut Gesetz eine Wertminderung wegen Alters nach dem Feststellungszeitpunkt (1. 1. 1964) ausgeschlossen ist.
  • Es droht die Gefahr, dass der Gesetzesvollzug leidet. Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse könnten nämlich nicht erfasst werden, wenn eine regelmäßige Neubewertung unterbleibt.

Obige Argumente gelten vor allem in den neuen Bundesländern (Wertverhältnisse zum 1. 1. 1935).

Hinweis: Der BFH hat den Gesetzgeber aufgefordert, tätig zu werden und auf die aktuellen Wertverhältnisse als Bewertungsgrundlage abzustellen.

Alle Steuerzahler

Kindergeld: Fallbeil-Wirkung ist verfassungsgemäß

Hintergrund: Bei Kindern unter 18 Jahren ist die Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes für die Gewährung des Kindergelds irrelevant. Im Übrigen entfällt der Anspruch auf Kindergeld bzw. Kinderfreibetrag, wenn die Einkünfte und Bezüge eines Kindes den Grenzwert von 8.004 € übersteigen (Fallbeil-Wirkung).

Streitfall: Ein Vater bezog für seinen Sohn, der sich in den Jahren 2002 bis 2006 in Berufsausbildung befand, Kindergeld. Die Familienkasse bewilligte für das Jahr 2005 kein Kindergeld, da die Einkünfte und Bezüge des Sohnes den (damals) geltenden Jahresgrenzbetrag von 7.680 € um einen Betrag von 4,34 € überschritten. Die Klage des Vaters blieb vor den Finanzgerichten ohne Erfolg.

Entscheidung: Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde des Vaters nicht zur Entscheidung angenommen. Aus den Gründen des Beschlusses ergibt sich Folgendes:

  • Der grundrechtlich garantierte Schutz von Ehe und Familie fordert, dass das Existenzminimum jedes einzelnen Familienmitglieds steuerfrei bleiben muss.
  • Mindestens das, was ein Sozialhilfeempfänger zur Deckung seines Bedarfs aus öffentlichen Mitteln erhält, muss auch dem erwerbstätigen Steuerpflichtigen steuerfrei verbleiben.
  • Es ist verfassungsgemäß, wenn die Gewährung des Kinderfreibetrags bzw. des Kindergelds davon abhängig ist, dass das Existenzminimum des Kindes nicht durch eigene Einkünfte und Bezüge gedeckt ist.
  • Typisierend darf der Gesetzgeber hierbei von dem für erwachsene Steuerpflichtige geltenden Grundfreibetrag ausgehen.
  • Das Sozialstaatsprinzip erfordert nicht, dass neben dem Existenzminimum des Kindes durch den Grundfreibetrag zusätzlich Kindergeld gewährt werden soll, obwohl das Kind mit seinen Einkünften selbst in Höhe des Grundfreibetrags verschont bleibt.
  • Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Grenzbetragsregelung als Freigrenze und nicht als Freibetragsregelung auszugestalten, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Hinweis: Eltern und deren volljährige Kinder sollten immer über die Einnahmen der Kinder kommunizieren, damit nicht wegen einiger weniger Euro das gesamte Kindergeld riskiert wird.

WIRTSCHAFTSRECHT

Suche nach jungen Mitarbeitern verstößt gegen das AGG

Hintergrund: Ziel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist es, Benachteiligungen u. a. aus Gründen der Rasse, des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung oder des Alters zu verhindern. Das Gesetz schützt auch den Bewerber für eine ausgeschriebene Arbeitsstelle.

Streitfall: Ein 1958 geborener Volljurist bewarb sich im Jahre 2007 auf eine Stellenanzeige in einer juristischen Fachzeitschrift. Die Arbeitgeberin suchte für ihre Rechtsabteilung „zunächst auf ein Jahr befristet eine(n) junge(n) engagierte(n) Volljuristin/Volljuristen“. Der Bewerber erhielt eine Absage, ohne zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein. Eingestellt wurde eine 33-jährige Juristin. Der abgewiesene Jurist hat von dem Unternehmen wegen unzulässiger Benachteiligung aufgrund seines Alters eine Entschädigung von 25.000 € und Zahlung eines Jahresgehalts verlangt.

Entscheidung: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab dem abgelehnten Bewerber teilweise recht. Stellen sind „altersneutral“ auszuschreiben, wenn kein Rechtfertigungsgrund für eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters vorliegt. Die unzulässige Stellenausschreibung stellt ein Indiz dafür dar, dass der Bewerber nur wegen seines Alters nicht eingestellt worden ist. Da die Arbeitgeberin nicht darlegen konnte, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorgelegen hat, hat der Bewerber einen Entschädigungsanspruch. Dieser besteht aber „nur“ in Höhe eines vollen Monatsgehalts, wenn der Bewerber nicht darlegt, dass er bei einer diskriminierungsfreien Auswahl auch eingestellt worden wäre.